Kreuzberg: Lindenstraße

Eine Kolonnade

Während die Ostseite der in Kreuzberg gelegenen Lindenstraße im Wesentlichen räumlich klar definiert ist, fehlt diese Fassung auf der Westseite insbeson­dere im südlichen Bereich. Der minimale Eingriff einer fragmentierten, leichten Kolonnadenstruktur wird durch Bäume, berankte Säulen und überhöhte Rankgitter ergänzt. Die entstehende üppige Vegetation mit vielfältigen Gewächsen gibt der Straße einen menschlichen Maßstab zurück. Die Struktur wird dabei durch verschiedene Sondersituationen ergänzt. Diese betonen den Ein- und Ausgang oder Zwischen­momente innerhalb der fragmentierten Säulenreihe. Nahe dem Sportplatz in der Nähe des Jüdischen 
Museums bietet ein überhöhtes Säulendach inmitten 
eines Kiefernhaines Sonnen- und Regenschutz. Marktflächen, Werkstatträume auf verschiedenen Ebenen und eine kleine Stadtteilbibliothek definieren einzelne Stationen, wobei die Promenaden auch allein dem 
Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur dienen 
können. So entsteht ein Stück neue Identität in einer Stadt, die sich den Fragen der Zukunft optimistisch stellt.

© Maximilian Meisse
© Maximilian Meisse

Bestehender Straßenraum

Im Bereich des Jüdischen Museums von 
Daniel Libeskind in Kreuzberg öffnet sich die gegenüberliegende Seite hin zum ehemaligen Blumengroßmarkt. Obwohl sich die jüngsten Neubauten wieder an das Straßenprofil der Lindenstraße anpassen, offenbart sich in der Fotografie von Maximilian Meisse das nach wie vor Bruchstückhafte dieses Straßenraumes.

© Jan Kleihues und Heike Hanada
Lageplan 1:5.000
© Jan Kleihues und Heike Hanada

Lindenstraße in der Südlichen 
Friedrichstadt

Das Areal der Südlichen Friedrichstadt ist 
bis heute von Verlusten durch den Zweiten Weltkrieg und die Teilung der Stadt geprägt. Die Neubaupolitik der 1960er und 1970er 
Jahre verschärfte die räumlichen Disso­nanzen, sodass die ehemals ausgewogene Volumetrie der Stadt auf Grundlage des 
barocken Straßenrasters auch mit der Internationalen Bauausstellung IBA 1987 nicht vollständig wiederhergestellt werden konnte. In dieser extrem heterogenen Situation liegt die Lindenstraße.

Lageplan 1:500

Die Lindenkolonnade erstreckt sich von 
Nord nach Süd von dem aufgeweiteten 
Straßenraum gegenüber dem Axel-Springer-Hochhaus bis hin zur Randbebauung des Mehringplatzes. Den Auftakt im Norden 
bildet dabei eine kleine Stadtteilbibliothek, während im Süden eine sogenannte „Neugierde“, ein kleiner städtischer Aussichtsort, den Blick Richtung Landwehrkanal öffnet.

© Jan Kleihues und Heike Hanada
© Jan Kleihues und Heike Hanada
© Jan Kleihues und Heike Hanada
© Jan Kleihues und Heike Hanada

Räumliche Intervention

Die räumliche Intervention konzentriert 
sich auf eine Verbesserung der Situation mit minimalem Eingriff. Die klassische Lösung einer Straßenpromenade wird mit den baulichen Mitteln einer zeitlosen Kolonnade kombiniert, die den heutigen, unwirtlichen Straßenraum räumlich fasst und gleichzeitig quartiersnahen Nutzungen Raum bietet. 
Die langgestreckten Dachebenen der Kolonnaden erlauben es, Photovoltaikpaneele 
unterzubringen und damit energetisch autark zu sein. Die dicht mit Kletterpflanzen begrünten Säulen und Rankgitter verbessern in Kombination mit neugepflanzten Hainen nicht nur das Mikroklima, sondern auch die Aufenthaltsqualität. Die Kombination von 
öffentlichen und halböffentlichen Räumen 
in vertikalen Gärten dürfte dem Namen der 
Lindenstraße schon sehr bald nachhaltig Rechnung tragen.

Straße und Platz

Die elegante, fast über der Straße schwebende Konstruktion der Lindenkolonnade mit dicht aneinandergereihten, runden Stahl­stützen öffnet sich im Bereich der W. Michael
Blumenthal Akademie gegenüber dem 
Jüdischen Museum zu einem Platz, der mit freistehenden, den Raum überschattenden Linden im organischen Wechsel zwischen Architektur und Vegetation steht.

© Jan Kleihues und Heike Hanada Rendering © Astigmatic Studio
© Jan Kleihues und Heike Hanada Rendering © Astigmatic Studio

Jan Kleihues
 und Heike Hanada


Jan Kleihues arbeitete zunächst bei 
Peter Eisenman, Daniel Libeskind und 
Rafael Moneo, bevor er 1992 sein eigenes Büro aufbaute. 1996 gründeten er und Josef Paul Kleihues mit Norbert Hensel das Büro Kleihues + Kleihues. Nach verschiedenen Gastprofessuren lehrt er seit 2011 an der Fachhochschule Potsdam Architektur und Städtebau.

https://kleihues.com/

 

Heike Hanada gründete 2007 „hh_laboratory of art and architecture“ in Weimar. Für den Wettbewerbsentwurf der Erweiterung der „Asplund Bibliothek“ in Stockholm erhielt sie den 1. Preis. 2019 erhielt sie den Thüringer Architekturpreis für das neu eröffnete Bauhaus Museum Weimar. Seit 2018 lehrt sie an der TU Dortmund.                                                                         

http://www.heikehanada.de/

 

© Lichtschwärmer
© Lichtschwärmer
© Ulrike Schamoni
© Ulrike Schamoni