Weimarer Republik:

Mitte frei für das Automobil

Die deutsche Hauptstadt befand sich während der Weimarer Republik in einer politisch und wirtschaftlich schwierigen Lage. Die Bildung Groß-Berlins 
im Jahr 1920 begünstigte große Pläne, die neue 
Ver­waltungsstruktur war aber deren Realisierung 
abträglich. Obwohl es erst sehr wenige Autos gab, entstanden radikale Visionen einer autogerechten Stadt. Entwürfe von Privatarchitekten wie Ludwig Hilberseimer und Ludwig Scheurer zeugen von diesen Plänen. In den späten 1920er Jahren erarbeitete auch die Stadt Berlin mithilfe der beiden Stadträte Martin Wagner und Ernst Reuter umfassende Pläne, die dem erwarteten Massenautoverkehr gerecht werden sollten. Ihren Höhepunkt erreichte diese 
Entwicklung im Frühjahr 1930, als ein „Sanierungsplan“ für die südliche Altstadt vorgelegt wurde. 
Dieser Plan war der bis dahin radikalste Versuch, die Berliner Mitte zu modernisieren. Seine Umsetzung sollte den Autoverkehr in Ost-West-Richtung im 
Bereich der alten Mitte durch Straßendurchbrüche erleichtern. Realisiert wurde diese „Sanierung“ aber während der Weltwirtschaftskrise nur partiell am Alexanderplatz.

© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY
© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY

Nord-Süd-Perspektive der „Hochhausstadt“ von Ludwig Hilberseimer, 1924

Ludwig Hilberseimer (1885–1967), der von 1929 bis 1933 am Dessauer Bauhaus Städtebau lehrte, wetteiferte in den 1920er Jahren mit Le Corbusier um die radikalste städtebauliche Idee. Seine „Hochhausstadt“ 
changierte zwischen Städtebau und Sche­matismus. Der Nahverkehr ist unter die Erde verlegt. Die allesamt mittelalten Menschen der „Hochhausstadt“ wohnen in von Dienstpersonal versorgten Appartements in langgestreckten, aufgeständerten Hochhaus­riegeln. In die Höhe des sechsten Stockwerks verbannt, laufen sie riesige Umwege, die 
Autos hingegen verfügen über Verkehrs­räume von rund 30 Fahrzeugbreiten.

Das Herz der Altstadt: Spittelmarkt bis Alexanderplatz

Die Zentrumsplanungen der späten 1920er Jahre waren radikal, autogerecht und altstadtzerstörerisch. Zuerst entwickelten Planer hochfliegende Ideen für den Alexanderplatz, dann verplanten sie die gesamte südliche Altstadt, auch den Molkenmarkt und den Mühlendamm. Realisiert wurde damals nur ein Teilumbau des Alexanderplatzes mit dem Berolina- und dem Alexanderhaus nach Entwürfen von Peter Behrens. Weitergehende Pläne scheiterten an den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Stadtplaner des Magistrats projektierten fortan vor allem nur noch Verkehrsflüsse und keine Straßen und Plätze mehr.

©bpk/Museum Europäischer Kulturen, SMB
©bpk/Museum Europäischer Kulturen, SMB

Ikonisches Schrägluftbild der Berliner Altstadt von Westen, 1928

Das meistverwendete Vorkriegsluftbild Berlins geht auf die Schultafel „Siedlungsformen. Stadtanlagen. Mittelalterlicher Kern“ zurück. Diese Tafel stellte den Schulkindern die Schönheit der in der Mitte der Metropole noch vorhandenen gewachsenen Altstadt mit ihren leicht gekrümmten Straßen vor Augen.

© Canadian Centre for Architecture
© Canadian Centre for Architecture

Beitrag von Mies van der Rohe zum städtischen Wettbewerb Alexanderplatz, 1928

Der Architekt sah riesige gläserne Büroscheiben um einen aufgeweiteten Kreisverkehr vor. Im Vordergrund wirkt der dicht bebaute Stadtbereich um das Lehrervereinshaus wie ein Fremdkörper am neuen Alexanderplatz.

© Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg 
W 134 Nr. 001576, Foto: Willy Pragher
© Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg 
W 134 Nr. 001576, Foto: Willy Pragher

Alexanderplatz – eine große Baustelle, November 1930

Die U-Bahnlinie E (heute U5) wurde von 1928 bis 1930 in offener Bauweise unter den Platz gelegt, die beiden Torbauten von Peter 
Behrens wurden von 1929 bis 1932 errichtet. Der Blick geht aus der Dircksenstraße nach Norden zum Vorplatz des Bahnhofs, fällt auf die Baustelle des Berolinahauses und das Kaufhaus Tietz im Hintergrund.

Aus: Deutsche Bauzeitung 71-72/1931, S. 106
Aus: Deutsche Bauzeitung 71-72/1931, S. 106

Modell eines neuen Hauptstraßenzuges durch die Altstadt, 1931

Vom Mühlendamm am unteren Bildrand bis zum Rathaus schlugen die Verkehrsplaner einen Viertelkreis-Bogen. Dieser neuen Hauptstraße wurde alles untergeordnet: 
der Molkenmarkt, das Palais Schwerin, das Nikolaiviertel und ein kolossales künftiges drittes Rathaus.
Aus: Eberhard-Günther Ermisch/Klaus Konrad Weber: Richard Ermisch. Porträt eines Baumeisters. Querschnitt einer Zeit. 
Berlin/München/Düsseldorf 1971, S. 56, Abb. 115
Aus: Eberhard-Günther Ermisch/Klaus Konrad Weber: Richard Ermisch. Porträt eines Baumeisters. Querschnitt einer Zeit. 
Berlin/München/Düsseldorf 1971, S. 56, Abb. 115

Schauzeichnung des zwei Häuserblöcke einnehmenden Dritten Rathauses am Molkenmarkt, 1931

Die dem Straßenverlauf folgende Fassadenfront des neuen, von Richard Ermisch geplan­ten Verwaltungsgebäudes mit Sparkasse, Stadtbibliothek und Hauptkantine 
zwischen Rotem Rathaus und Altem Stadthaus erstreckte sich zum Molkenmarkt über eine Länge von 120 Metern. Der Bau wurde nicht realisiert.
© Landesarchiv Berlin, A Rep 010-01-02 Nr 1798 Foto 67 1204
© Landesarchiv Berlin, A Rep 010-01-02 Nr 1798 Foto 67 1204

Schaubild des neuen Mühlendamms als Dreifeld-Stahlbetonbrücke, 1931

Das Palais Ephraim am rechten Brücken­auflieger, die „schönste Ecke Berlins“, 
musste der Baustelleneinrichtung weichen. Die Verkehrsplaner des Magistrats hatten auch eine Variante erarbeitet, die den Erhalt des Palais Ephraim ermöglicht hätte – diese hatten sie den Politikern aber ausdrücklich nicht empfohlen.
© Landesarchiv Berlin, A Rep 010-01-02 Nr 1804 Anlage Vogelschau
© Landesarchiv Berlin, A Rep 010-01-02 Nr 1804 Anlage Vogelschau

Vogelschauansicht des Durchbruchs der Grunerstraße–Jägerstraße mit freigestellter Nikolaikirche, Juni 1931

Die Magistratsplaner schreckten im Interesse des Verkehrs nicht davor zurück, die Nikolaikirche zur Mitte einer Verkehrsinsel zu degradieren. Das Dritte Rathaus zeigt in dieser Vogelschau zur Jüdenstraße einen schematischen Grundriss mit Kammstruktur.

Das Herz der City: Leipziger Straße und Potsdamer Platz

In der Altstadt gingen die Verkehrsprobleme angeblich auf die verwinkelten Straßen und die Mauerverläufe der ehemaligen Festungsbastionen zurück. In der Friedrichstadt, dem Herz der City, waren die Straßen schnurgerade und breiter. Trotzdem beharrten die Planer auch hier auf großzügigen Tunnelbauwerken und Autohochbahnen sowie der baulichen Separierung der Verkehrsarten. Immerhin konzedierte der BVG-Vorstand Paul Wittig 1931: „Es ist eine Verminderung des Berliner Gesamtverkehrs [...] in solchem Ausmaße eingetreten, daß sich selbst in sonst vom Verkehr überlasteten Straßen eine gewisse Leere zeigt.“

Ansichtskarte
Ansichtskarte

Blick vom Leipziger Platz in die Einkaufsmeile der Leipziger Straße, um 1920

Der um 1920 noch dominierende Straßenbahn- und Busverkehr bekam innerhalb 
weniger Jahre erhebliche Konkurrenz durch das Auto, dessen Zulassungszahlen die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg bald weit übertrafen: 1921 waren in Berlin gut 12.000 Autos zugelassen, 1930 bereits über 90.000.
Aus: Friedrich Brömstrup: Studie über eine Verkehrssanierung der Berliner City. In: Deutsche Bauzeitung 29-30/1931, Beilage Stadt und Siedlung Nr. 6, S. 49, Zeichnung: Triebel
Aus: Friedrich Brömstrup: Studie über eine Verkehrssanierung der Berliner City. In: Deutsche Bauzeitung 29-30/1931, Beilage Stadt und Siedlung Nr. 6, S. 49, Zeichnung: Triebel

„Autohochbahn“ in der Leipziger Straße, Stadtbaumeister Friedrich Brömstrup, 1931

In der Erläuterung seiner Vorschläge zur „Verkehrssanierung der Berliner City“ schrieb Brömstrup: „Berlin steht […] vor einem städtebaulichen Wendepunkt.“ Die Stadt entspricht nicht mehr den Anforderungen des Verkehrs. „Straßenverbreiterungen und Straßendurchbrüche“ sind notwendig – und selbst „Autohochbahnen“ unvermeidlich.
Aus: Friedrich Brömstrup: Studie über eine Verkehrssanierung der Berliner City. In: Deutsche Bauzeitung 29-30/1931, Beilage Stadt und Siedlung Nr. 6, S. 48
Aus: Friedrich Brömstrup: Studie über eine Verkehrssanierung der Berliner City. In: Deutsche Bauzeitung 29-30/1931, Beilage Stadt und Siedlung Nr. 6, S. 48

Entwurf eines „Hauptverkehrsplatzes 
mit Autohochbahn“, Stadtbaumeister Friedrich Brömstrup, 1931

Brömstrup schlug 1931 ein ganzes „Autohochbahnnetz“ für Berlin vor. Dazu gehörten autogerechte innerstädtische Verkehrskreuzungen auf mehreren Ebenen. Die Menschen im Vordergrund laufen auf einem hochgelegenen Bürgersteig.
© Canadian Centre for Architecture
© Canadian Centre for Architecture

Martin Wagner: Modell des Potsdamer Platzes, 1928/29

Blick aus der Leipziger Straße auf den Potsdamer Platz: Die Hauptverkehrsverbindungen verlaufen in einem Tunnel, der abbiegende Verkehr ist auf einen hochgelegten Kreisverkehr verlegt. Den Fußgängern bleibt der Stadtraum zu ebener Erde und der innere Ring der Kreuzung vorbehalten. Den Leipziger Platz im Vordergrund teilte die Planung 
in zwei dauerhaft getrennte Bereiche.
© Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2005/228/51, Schenkung von Hans Dzubas
© Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2005/228/51, Schenkung von Hans Dzubas

Ausbildung von Polizisten an einem 
Modell des Potsdamer Platzes, um 1934

Die Zunahme des Verkehrs führte zu einer Zunahme der Unfälle und Unfallopfer. Als Gegenmaßnahme wurde in der Neuen Verkehrsordnung von Januar 1929 vor allem der Fußgängerverkehr durch Straßengitter und Überwege reglementiert. Der Fotograf dieser Szene, Martin Dzubas, arbeitete bis 1933 in der Abteilung Verkehr und Technik der Berliner Polizei.
© Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg 
W 134 Nr. 000137B / Fotograf: Willy Pragher
© Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg 
W 134 Nr. 000137B / Fotograf: Willy Pragher

Potsdamer Platz mit Bus, Straßenbahn und Verkehrsturm, April 1927

Der Verkehr des Platzes vor dem Potsdamer Tor mit seinen fünf sich kreuzenden Straßen wurde seit Dezember 1924 mittels des Verkehrsturms, der ersten deutschen Ampel, geregelt. Trotz der Vervielfachung des Autoverkehrs in den 1920er Jahren bildeten Busse und Straßenbahnen im Jahr 1927 immer noch das Rückgrat des städtischen Verkehrs.

Der Wettbewerb „Unter den Linden“, 1925

Der von Wasmuths Monatsheften für Baukunst und 
der Zeitschrift Städtebau 1925 ausgelobte spektaku­läre Wettbewerb zur Neugestaltung der Allee Unter den 
Linden ist ein Paradebeispiel für die Anmaßung einiger Architekten, ein neues Berlin auf Kosten des alten 
zu schaffen. Von der ehemaligen via triumphalis der 
preußischen Herrscher sollte außer einigen herausragenden Bauten des 18. Jahrhunderts kein einziges Gebäude erhalten bleiben. Hinsichtlich der Bestandsfeindlichkeit der Ausschreibung und der Entwurfshaltung der Teilnehmer ist der Linden-Wettbewerb dem Wettbewerb Groß-Berlin von 1910 vergleichbar.

© Architekturmuseum TU Berlin, Nr. 7882
© Architekturmuseum TU Berlin, Nr. 7882

Wettbewerbsbeitrag von Erich Karweik: Hochhaus über dem Pariser Platz, 1925

Erich Karweik, der seine Ausbildung zum Architekten wegen des Ersten Weltkriegs nicht abschließen konnte, arbeitete seit 1922 im Büro von Erich Mendelsohn. Sein Beitrag überbaute den Pariser Platz mit einem gigantischen Hochhaus. Die Straße Unter den 
Linden sollte auf beiden Seiten vollständig neu und einheitlich bebaut werden.
© Architekturmuseum TU Berlin, Nr. 7852
© Architekturmuseum TU Berlin, Nr. 7852

Wettbewerbsbeitrag von Ludwig Scheurer: Autostraße mit Hochhäusern, 1925

Ludwig Scheurer, später Stadtbaurat in 
Essen und möglicherweise am Bau der Reichsautobahnen unter Fritz Todt beteiligt, reichte einen spektakulären Entwurf ein: 
Die Lindenbäume sollten einer zehnspurigen Straße Platz machen. Zu beiden Seiten sah er gigantische Hochhausscheiben vor, auf 
deren Dächern Flugzeuge landen sollten.
Aus: Ergebnisse des „Linden“-Wettbewerbs. In: Städtebau. Monatshefte für Stadtbaukunst, städtisches Verkehrs-, Park- und Siedlungswesen 2/1926, S. 25
Aus: Ergebnisse des „Linden“-Wettbewerbs. In: Städtebau. Monatshefte für Stadtbaukunst, städtisches Verkehrs-, Park- und Siedlungswesen 2/1926, S. 25
Wettbewerbsbeitrag von Cornelis van 
Eesteren: Hochhaus mit Scheiben und Riegel, erster Preis, 1925

Cornelis van Eesteren war ein führender Kopf der Internationalen Kongresse für Neues Bauen (CIAM). Sein Entwurf sah ein Hochhaus zwischen der älteren preußischen und der jüngeren bürgerlichen Hälfte der Allee vor. Die parallelen Hochhausscheiben verortete er auf der Südseite, den durchgehenden Hochhausriegel auf der Nordseite.

Ansichtskarte
Ansichtskarte
Dichter Pkw-Verkehr Unter den Linden, 1928

Einige Jahre vor dieser Aufnahme konnten die Kutschen auf beiden Seiten der Allee 
Unter den Linden noch in beide Richtungen 
fahren. In den 1920er Jahren erhielt die Prachtstraße Richtungsfahrbahnen, die 
Kutschen wurden verdrängt und das Fahrradfahren untersagt.

Autoträume um Ludwig Hilberseimer

Ludwig Hilberseimer war ein einflussreicher Städtebauer der autogerechten Moderne. Berühmt-berüchtigt sind seine „Hochhausstadt“ von 1924 und sein Vorschlag einer „Citybebauung“ von 1929. Hilberseimer sprach sich 1927 für eine mehrstufige Stadt aus: „unten die Geschäftsstadt mit ihrem Autoverkehr. Darüber die Wohnstadt 
mit ihrem Fußgängerverkehr. Unter der Erde der Fern- und Stadtbahnverkehr.“ Von 1929 bis 1933 leitete er die 
Städtebaulehre am Bauhaus in Dessau. 1938 folgte er Ludwig Mies van der Rohe nach Chicago. 1963 äußerte 
er sich kritisch zu seinen radikalen Planungen für Berlin.

Sammlung Jörn Düwel, Hamburg
Sammlung Jörn Düwel, Hamburg

Luftbild des Lustgartens samt Umgebung, 17. September 1925

Die Mitte der jungen Metropole war bereits 
im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert weitgehend modernisiert und monumen­talisiert worden. Mit Blick auf die von Autos überfluteten Städte der USA war das in den Augen vieler Planer und Architekten aber 
völlig unzureichend. Ihr Projekt war ein 
gänzlich „Neues Berlin“.
© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY
© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY

Ludwig Hilberseimers „Friedrichstadtprojekt“, 1928

Neun riesige Bürohauspaare sollten jeweils zwei Häuserblöcke in bester Citylage ersetzen. Ludwig Hilberseimer bekannte in der Rückschau 1963: „Das Resultat war mehr eine Nekropolis als eine Metropolis, eine sterile Landschaft von Asphalt und Zement, unmenschlich in jeder Hinsicht.“ Eine seltene Selbstkritik eines planenden Architekten.
© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY
© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY

Aus dem Umfeld Ludwig Hilberseimers: Skizze eines Altstadtprojekts, 1932/33

Außer der Museumsinsel, dem Schloss und dem Marstall sollte nur noch der Circus Busch auf dem Monbijoudreieck stehen bleiben. Das neue östliche Zentrum sollte auf einem schlichten neuen Grundriss lediglich zehn H-förmige Hochhäuser – H wie Hilberseimer – aufweisen. Die mittelalterliche Altstadt wäre völlig verschwunden.
© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY
© bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY

Aus dem Umfeld Ludwig Hilberseimers: Blick auf das neue östliche Zentrum, 1932/33

Von links nach rechts sind aus der Perspektive des Autofahrers im Vordergrund zu erkennen: Altes Museum, Dom und Schloss – im Hintergrund die dicht gestaffelten einheitlich H-förmigen Hochhäuser. Auch Marienkirche, Nikolaikirche und das Rote Rathaus fanden keinen Pardon.

Hochfliegende Pläne für das Automobil

Die Pläne des Magistrats gingen meilenweit über die 
Innenstadt hinaus und machten auch am Stadtrand 
nicht halt. 1929 regte das Amt für Stadtplanung mit dem „Schnellstraßenplan“ ein umfassendes Netz von Ring­straßen und Radialstraßen bis weit ins Umland an. 
Radialstraßen führten den Autoverkehr aber nicht nur nach auswärts, sie leiteten auch gewaltige Verkehrs­ströme in das Innere der Städte. Dort wollten die Planer der Zwischenkriegszeit bereitwillig Platz für den Verkehr schaffen, wie die Magistratsvorlage von 1930 belegt.

Aus: Ulf Dietrich: Der Alexanderplatz in Berlin. In: Städtebau 3/1929, S. 60
Aus: Ulf Dietrich: Der Alexanderplatz in Berlin. In: Städtebau 3/1929, S. 60

Martin Wagner und Felix Unglaube: 
Ideenskizze zu einem neuen Alexanderplatz, Dezember 1928

Die Magistratsplaner schlugen eine verkehrsgerechte Kreisform vor. Die Verkehrsarten sind streng voneinander getrennt, dominant ist der Autoverkehr, die Fußgänger sind an den Rand des Platzes verwiesen. Eine Einfassung der Mitte sollte das diagonale Queren der Fußgänger verhindern.
Plakat der Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr, Zeichnung: Jupp Wiertz, © bpk/Kunstbibliothek, SMB
Plakat der Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr, Zeichnung: Jupp Wiertz, © bpk/Kunstbibliothek, SMB

Berlin-Werbeplakat: „Germany wants 
to see you“

Auch in der Stadtwerbung dominierten auf spiegelnder Fahrbahn rollende Automobile – und die Neonlichter des Nachtlebens. 
Dagegen bleibt die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im Dunkeln. Und Nahverkehr und Passanten verschwinden im Hintergrund.
Aus: Gustav Böß: Berlin von heute. Stadtverwaltung und Wirtschaft. Berlin 1929, S. 117
Aus: Gustav Böß: Berlin von heute. Stadtverwaltung und Wirtschaft. Berlin 1929, S. 117

Planung eines Schnellstraßennetzes 
für den Großraum Berlin, Amt für Stadt­planung, Februar 1929

Der Schnellstraßenplan des Amts für Stadtplanung sah ein umfassendes Netz von Radial- und Ringstraßen vor. Er kann als erster offizieller autogerechter Plan für Berlin angesehen werden. Berlin war in diesen Jahren wie auch später ein Vorreiter der autogerechten Stadtplanung.

Aus: Paul Wittig: Das Verkehrswesen der Stadt Berlin und seine Vorgeschichte. Privatdruck. Berlin 1931, Tafel 2
Aus: Paul Wittig: Das Verkehrswesen der Stadt Berlin und seine Vorgeschichte. Privatdruck. Berlin 1931, Tafel 2

Geplante Straßendurchlegungen und Straßenverbreiterungen zur Sanierung der südlichen Altstadt, 18. April 1930

Paul Wittig, der Vater des Berliner U-Bahnnetzes, erläuterte diese Vorlage des Magistrats an die Stadtverordneten folgender­maßen: Für die verkehrliche „Aufschließung der Altstadt“ müssten „durchgehende Straßen­züge mit größerer Fassungskraft geschaffen werden.“ Die „Verkehrsbrennpunkte“ seien Alexanderplatz, Jannowitzbrücke und 
Molkenmarkt.

Akteure

© via Alchetron
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Martin Wagner (1885–1957)

Der Stadtrat für Hochbau von Groß-Berlin seit 
1926 trieb die großen Modernisierungsprogramme des Magistrats voran. Sein Versuch, die südliche Altstadt völlig umzugestalten, scheiterte aber. Sein Konzept eines „Weltstadtplatzes“, der alle paar Jahrzehnte vollständig erneuert werden 
sollte, konnte am Alexanderplatz ansatzweise verwirklicht werden. 1935 ging er in die Türkei, 1938 in die USA. Er war Mitglied im Architekten-Verein bzw. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin.

© via Wikimedia Commons
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Ernst Reuter (1889–1953)

Der Stadtrat für Verkehr von Groß-Berlin seit 
1926 drängte zusammen mit Martin Wagner und dem Stadtrat für Tiefbau, Hermann Hahn, auf eine 
Modernisierung des Berliner Verkehrswesens. 
In dieser Zeit entstand die BVG, aber auch eine erste autogerechte Stadtplanung. 1931 wurde Reuter Oberbürgermeister von Magdeburg, 1935 ging er ins türkische Exil, 1948 wurde er Ober­bürgermeister von West-Berlin.

Richard Ermisch (1885–1960)

Der Architekt und Baubeamte arbeitete in der 
Weimarer Republik, in der NS-Zeit und nach dem Krieg als Stadtplaner im Berliner Magistrat. In der Weimarer Republik plante er die Kahlschlag­sanierung der südlichen Altstadt. Dieses Vorhaben betrieb er auch nach 1933 und in Teilen auch nach 1945. Ermisch war Mitglied im Architekten-Verein bzw. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin.